Reverend Elvis, Urgestein der Psychobilly-Szene, Frontmann der Undead Syncopators, Mitinhaber des Labels Suzy Q Records, Mitbetreiber des gleichnamigen Online-Plattenladens, DJ, Veranstalter, und, nicht zuletzt, Sonnenberger, trafen wir am 02.09.2011 zu einem Interview.

Hallo Reverend, schön dass es so kurzfristig geklappt hat!

Wenn man was für den Sonnenberg tun kann, dann bin ich gerne dabei. Wir haben hier als Domizil unser Haus am „gefühlten Fuße“ des Sonnenbergs. Da leben wir seit 8 Jahren und das ist für jemanden, der wie ich viel beruflich unterwegs ist, eine wichtige Basis. Es gibt hier am Sonnenberg für mich dieses wichtige Stück Freiheit, das ich einfach brauche.

Wie kann man Eure Musik eigentlich einordnen?

Mehr in der Hauptrichtung des Psychobilly, aber eigentlich machen wir doch verschiedene Sachen. Vor kurzem entstand das Soloprojekt, die Stilrichtung nenne ich Death Country. Die Wurzeln liegen in den 40ern bei Country, Swing, Blues, dem frühen Rock’n’Roll.  Wir verwenden die alten Instrumente, wie den Kontrabass, aber auch elektrische Gitarren. Die Undead Syncopators verarbeiten auch Einflüsse aus Metal und Punk. Also: Ein weites musikalisches Feld!

Mal reinhören?

Reverend Elvis and the Undead Syncopators – Killer Wolf

Wie hat alles so für Dich beruflich/ musikalisch auf dem Sonnenberg begonnen?

1999 haben wir unseren ersten Plattenladen auf der Hainstraße eröffnet, gegenüber von dem jetzigen Underworld. Das war noch vor meiner Musikerkarriere. Die Hainstraße konnte man so Mitte, Ende der 90er ein bisschen wie die Dresdner Neustadt sehen, es gab hier eine richtige kleine Szene, in der jeder jeden kannte und jeder sein Ding gemacht hat.

Leider sind diese obskuren Läden, die schon eine Vielfalt repräsentierten und die Leute anzogen, nach und nach eingegangen, viele Leute sind auch weggezogen. Es war schon eine Nische mit dem Hang zum Besonderen.

Kannst Du den damaligen Zusammenbruch der Ladenszene auf der Hainstraße erklären?

Möglicherweise ist durch die Belebung der Innenstadt und das Auftreten der Sachsenallee der Schwung genommen worden. Nach meiner Einschätzung brauchst du auch für Chemnitz ein Laufpublikum, ja sogar die Touristen, die einfach das Ganze durchlaufen, weil die Szene in der Stadt selbst zu klein ist. Halt einen populär gewordenen Magneten, wie die Neustadt in Dresden, die ja auch zum Teil über Touristen funktioniert.

Einiges ist sicherlich nicht mehr vorhanden. Es gibt aber am Sonnenberg  immer noch etwas, das ich selbst so als „Raum zum Ausprobieren“ bezeichnen möchte. Das gibt es nach wie vor im Stadtteil.

Kennst Du in deinem direkten Umfeld noch Personen, die so denken wie Du selbst und sich mit dem Sonnenberg verbunden fühlen?

Es gibt sicherlich einige, die schon bewusst auf den Sonnenberg gezogen sind und nicht auf den Kaßberg. Insbesondere würde ich da mal einige Künstler sehen. Selbst würde ich mal die Leute auf der Reinhardtstraße betrachten, die unterschiedliche Wohnprojekte ins Leben gerufen haben. Es gibt da schon einige Freaks, die etwas machen und so kannst Du auch feststellen, dass sich in den letzten 10 Jahren einiges im Stadtteil geändert hat. Das war ein „gefühlter Kiez“, der aber wieder etwas abebbte. Leider!

Wir erleben ja am Sonnenberg doch so etwas wie Neuansiedler, Neuankömmlinge. Sprich das Haus an der Ecke Augustusburger/Clausstraße und die kulturelle Szene dort. Siehst Du da nicht doch neue Chancen?

Auf jeden Fall. Ich persönlich habe mich darüber sehr gefreut. Das stellt für mich einen Kontrapunkt zur Zietenstraße dar. Die wirkt doch sehr verlassen. Leider ist das dann das Bild des Sonnenbergs, das vermittelt wird. Das stimmt aber nicht! Da musst du ein wenig genauer den Sonnenberg und seine geheimen Ecken kennen. Biege mal 50 m weiter links oder rechts ab, da bist du dann doch überrascht und siehst, es sieht ganz anders aus. Positiver halt und mit einem gewissen Flair besetzt.

Euer Haus ist auch ein wichtiger Standort für die Kulturwirtschaft. Seid ihr eigentlich als ein Verein organisiert?

Nein, das wollen wir auch nicht. Wir möchten für uns selbst lieber losere Strukturen und wenig Regeln. In unserem Haus, in dem sich viel abspielt, gibt es unser Studio (mit Proberäumen), unser Plattenlabel und wir haben eine Siebdruckwerkstatt. Damit erstellen wir übrigens T-Shirts für unterschiedliche Bands, auch in ganz kleinen Auflagen und zu geringen Preisen für Newcomer. Desweiteren sind noch Ateliers und ein Modelabel bei uns. 5 Leute wohnen hier auch, und es ist offen für alle. Übrigens ist es zudem Treffpunkt von Leuten aus der ganzen kulturellen Chemnitzer Szenerie.

Kannst Du uns sagen, woher der Name: ´Undead Chemnitz´ stammt, unter dem Label und Shop im Internet firmieren?

Der Anspruch, den wir dabei haben, ist, dass wir ein Stück nach außen gehen wollen und Chemnitz repräsentieren möchten. Das interpretieren wir so, dass die Stadt, insbesondere der Sonnenberg, unsere Heimat ist. Versteht mich nicht unbedingt als Lokalpatriot. Das bin ich nicht, aber ich möchte schon meine Stadt nach außen, sprich in den alten Bundesländern etwas anders präsentieren. Was meistens gelingt. Die Leute hören einem dann doch zu und schieben das von ihnen selber ersonnene  Bild von Chemnitz beiseite.

Was tut sich aktuell so bei euch?
Es gibt in den Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig eine gut etablierte und wichtige Szene. Es kommen auch Kollegen aus Hamburg oder München angefahren und treten bei uns auf. In Chemnitz gibt es jährlich ein großes Psychobilly-Event: Halloween Nightmare, das u.a. auch deutschlandweit beworben wird.

Gerade jetzt ist auf Suzy Q Records ein Sampler auf Vinyl rausgekommen („It came from the ZONE“), auf dem 6 Bands aus der Region mit einem hohen musikalischen Niveau gute Songs abgeliefert haben. Ist eine absolut hörenswerte Sache. Das ganze pushen wir momentan, und zwar bis in die USA und Japan.

Bei so vielen internationalen Verstrickungen: bleibst Du hier?

Fazit: Ich habe und werde wahrscheinlich noch weiterhin sehr gern auf dem Sonnenberg wohnen und arbeiten. Das ist quasi für mich ein Stück: Absicht!

Tolles Statement zum Abschluss. Vielen Dank für die vielen neuen Informationen die wir von dir bekommen konnten!

 

Wer mehr über den Reverend und die Chemnitzer Psychobilly-Szene wissen möchte, der kann unter www.undead-chemnitz.de nachschauen. Ein sehr schönes Plattencover für Architektur- und andere Liebhaber gibt es da auch zu sehen.