Pfarrer Tilo Jantz hat die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde St. Markus vor 6 Jahren übernommen, vorher betreute er eine ländliche Pfarrei im Erzgebirge.

Während unseres Gesprächs laufen wir durch die Markuskirche, und so ist es weniger ein Interview nach vorgefertigten Fragen geworden als ein Austausch, der sich rund um die Räume entwickelt hat, die wir besucht haben.

 

1. Station, das Schiff der Markuskirche: Dieser Raum wird bekanntlich seit der Restaurierung der Kirche nicht mehr nur für Gottesdienste genutzt, sondern steht auch für Konzertveranstaltungen weltlicher Art offen. Die Konzerte in der Markuskirche sind zu einer festen Größe in der Chemnitzer Kulturlandschaft geworden.

Pfarrer Jantz: Ich begrüße diese Entwicklung, denn sie ist ein gelebter Ausdruck des Konzepts „offene Kirche“, das wir an vielen Stellen verfolgen.  Es ist aber auch eine ständige Herausforderung, eine gute Balance zu wahren. Zwar liegt im evangelischen Glauben die Heiligkeit niemals in den Dingen, also gibt es auch keinen geweihten Altarraum. Eine Doppelnutzung stellt so gesehen kein Problem dar. Trotzdem hat der Kirchenraum eine ganz besondere Atmosphäre, eine spezielle Qualität, die wir gerne wahren möchten. Es ist, als würden sich all die Dinge, die in einem Raum stattfinden,  in ihn einschreiben und sich dann dem Besucher mitteilen. Deswegen versuchen wir, eine gute Mischung aus kirchlichen und anderen Nutzungen zu finden.

 

2. Station, der Balkon in Richtung Körnerplatz in 35 m Höhe: der Blick schweift über Sonnenberg und Stadtzentrum bis hinaus aufs Land.

Pfarrer Jantz: Unsere Gemeinde spiegelt die Gegebenheiten im Stadtteil wider. Unsere etwa 1000 Mitglieder sind im Schnitt etwas jünger als anderswo, wir haben besonders viele Menschen zwischen 25 und 35 bei uns. Das ist allerdings gerade das Alter, in dem sich viele nicht aktiv am Gemeindeleben beteiligen. Das kommt dann erst später wieder, wenn Kinder da sind oder die Leute nicht mehr so stark mit dem Einstieg ins Berufsleben beschäftigt sind.

Etwa 100 Gemeindemitglieder sind mittlerweile woanders hingezogen, aber aufgrund der langjährigen Verbindung bei uns geblieben.

Und wir haben eine große Fluktuation, ständig kommen neue Mitglieder dazu, von denen viele aber recht bald weiterziehen und dann zu anderen Chemnitzer Gemeinden gehören. Das stellt uns vor ziemliche Herausforderungen, denn Gemeindearbeit beruht zu einem guten Teil auf Ehrenamtlichkeit und braucht auch Kontinuität, um funktionieren zu können. Bis jetzt haben wir aber noch viele langjährig engagierte Leute und es läuft sehr gut. Und ich bin optimistisch und glaube, dass die Gemeinde immer wieder auf neue Gegebenheiten und Bedürfnisse reagieren kann.

 

3. Station, die Uhrenstube über den Glocken: dort steht das Uhrwerk, liebevoll gepflegt von einem Gemeindemitglied, Herrn Ullmann. Es gibt für besonders kalte Tage sogar einen Ölradiator direkt unter der Mechanik, da im zugigen Turm sonst das Schmierfett an all den Zahnrädern zäh werden würde und die Uhr nicht mehr richtig ginge.

Pfarrer Jantz: Mir selbst und meiner Familie gefällt es hier sehr gut. Verglichen mit meiner vorherigen Stelle im Erzgebirge ist das Leben hier am Sonnenberg einfacher, die Wege sind kurz, die Schulen meiner Kinder liegen ganz in der Nähe. Und was wir sehr genießen, besonders meine Frau, ist das kulturelle Angebot!

Das einzige, was nervt, sind die vandalistischen Akte, die wir ab und zu an der Kirche zu beklagen haben. Ich glaube, dass dieses Burghafte, das der Kirche durch ihre gründerzeitliche Architektur anhaftet, das ein bisschen anzieht. Vielleicht wollen sich die Leute, die so etwas machen, gerade an dieser starken, unüberwindlichen Wand abarbeiten. Ich versuche diesen Bollwerkcharakter aufzulösen, indem ich sehr viel Wert auf eine Öffnung der Kirche nach außen lege. Wir laden schon die Kindergärten ein, mal reinzukommen, Fragen zu stellen, das Innere kennen zu lernen. Denn ich denke, was man kennt, möchte man nicht beschädigen.

Beeindruckend finde ich hier am Sonnenberg die hohe Dichte an sozialen Trägern, es ist toll, was hier alles für diejenigen gemacht wird, denen es nicht so gut geht. Wir haben einen guten Draht zu diesen Trägern und auch zur katholischen Gemeinde.

Was mir hier schon fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist, und worauf mich letztens erst wieder ein Kollege aus Stuttgart aufmerksam gemacht hat, der uns besucht hat: hier ist so vieles noch offen, hier gibt es so viele mögliche Entwicklungen, die noch stattfinden können. Das ist etwas sehr Gutes. Anderswo ist schon alles fertig, sind keine Veränderungen mehr denkbar. Das ist hier ganz anders, und das gefällt vielen, gerade solchen von außerhalb.

 

4. Station, das Portal der Kirche Richtung Körnerplatz: die breite Treppenflucht vom Platz zur Kirche hinauf wirkt einladend, gleichzeitig vermittelt die Gestaltung des Portals mit den schweren, beschlagenen Türen etwas Unzugängliches.

Pfarrer Jantz: Wir als Gemeinde machen zwar neben unserer eigentlichen Gemeindearbeit keine Sozialarbeit im Viertel, das machen andere professioneller und besser als wir. Wir sind aber über die Musik sehr stark mit dem Stadtteil, auch mit nicht kirchlich orientierten Menschen, verbunden. Es gibt auch einige Ehrenamtliche, die nicht zur Gemeinde gehören, sich aber trotzdem bei uns im Musikbereich engagieren, z.B. bei der Veranstaltungsorganisation. Das gehört auch zu unserem Konzept der offenen Kirche, und ich freue mich, dass das so gut klappt.

 

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Pfarrer Jantz für das schöne Gespräch mitsamt Kirchenführung!

Mehr Informationen über die Gemeinde der St.-Markus Kirche gibt es hier.

Über die Veranstaltungen in der Markuskirche können Sie sich u.a. in unserem Veranstaltungskalender informieren.